Mein Werk ist der Aufstand der Vorstellungskraft gegen die Brutalität der Tatsachen.
(Hans Bellmer)
Deutscher Surrealist zwischen Eros, Trauma und psychischer Tiefe
Hans Bellmer war ein deutscher Künstler, der vor allem durch seine verstörenden und hochsymbolischen Puppenskulpturen, Zeichnungen, Fotografien und Druckgrafiken bekannt wurde. Geboren 1902 in Kattowitz (damals Deutsches Reich, heute Polen), studierte er zunächst Maschinenbau und Architektur, bevor er sich der Kunst zuwandte. Er arbeitete in den 1920er-Jahren unter anderem als Werbegrafiker bei Siemens in Berlin, ehe er sich dem freien künstlerischen Schaffen widmete.
Sein künstlerischer Durchbruch erfolgte mit der Serie „Die Puppe“ (ab 1934) – eine Reihe von Fotografien lebensgroßer, künstlich zusammengesetzter Mädchenkörper, die er selbst konstruierte, inszenierte und fotografierte. Diese Werke richteten sich bewusst gegen die totalitäre Körperideologie des Nationalsozialismus und gegen jede Form der normativen Ordnung. Bellmer setzte damit ein radikales Zeichen für das Recht auf subjektive Wahrnehmung, Begehren und Widerspruch.
1938 emigrierte er nach Paris, wo er mit surrealistischen Künstlern wie André Breton, Paul Éluard, Georges Bataille und Max Ernst zusammenarbeitete. In Frankreich wurde er endgültig Teil des Surrealismus, der in seinem Werk auf einzigartige Weise mit erotischen, psychoanalytischen und existenziellen Themen verschmolz. 1940 wurde er zeitweise in einem französischen Internierungslager festgehalten, konnte aber später mit Hilfe surrealistischer Freunde freikommen.
In seinen späteren Jahren schuf Bellmer zahlreiche Zeichnungen, Radierungen und Lithografien, die sich durch eine obsessive Linienführung, erotische Symbolik und eine oft grausame Poesie auszeichnen. Viele seiner Grafiken erschienen als Illustrationen zu literarischen Werken, etwa von Marquis de Sade oder Georges Bataille.
Bellmers Arbeiten gelten heute als Grenzgang zwischen Kunst, Sexualität und Trauma – gleichzeitig faszinierend, beunruhigend und formal brillant. Seine Werke sind in bedeutenden Museen weltweit vertreten, darunter das Centre Pompidou in Paris und das MoMA in New York.
Hans Bellmer starb 1975 in Paris, wo er bis zuletzt lebte und arbeitete. Seine Arbeiten gehören heute zu den radikalsten und psychologisch eindringlichsten des europäischen Surrealismus.